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Gurlitt-Erbe - Kunstexperte Andrea Raschèr: Schweiz tut sich mit Raubkunst schwer

SDA, 20. November 2014, von Therese Hänni

Das Kunstmuseum Bern muss dieser Tage entscheiden, ob es eine mit Raubkunstverdacht behaftete Sammlung ins Haus holt und aufarbeitet. Die Schweiz tue sich mit Raubkunstfragen bislang schwer, findet Kunstrechtsexperte Andrea Raschèr. Er verweist aber auch auf gute Beispiele.

Dazu zählt Raschèr beispielsweise die Sammlung Oskar Reinhart in Winterthur oder das Museum Rietberg in Zürich. Beide Institutionen hätten von sich aus fundierte Untersuchungen angestellt und "nicht gewartet, bis jemand anklopft".

Zahlreiche Schweizer Museen haben gemäss Raschèr ihre Bestände aber noch nicht auf Nazi-Raubkunst hin untersucht. Der Kunstrechtsexperte sieht dafür mehrere Gründe, darunter auch die "helvetische Untugend des Aussitzens", von der man in der Schweiz nur ungern lasse. Aber auch Kosten spielen natürlich eine Rolle, gerade in Zeiten mit zunehmendem Spardruck bei der öffentlichen Hand.

Gesamtheitliche Sicht

Die Schweiz beruft sich beim Umgang mit Raubkunst auf die 1998 erarbeiteten Washingtoner Prinzipien. Die Übereinkunft verpflichtet die unterzeichnenden Staaten während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmte Werke zu identifizieren und mit den rechtmässigen Besitzern respektive Erben eine faire und gerechte Lösung zu finden.

"Das Bekenntnis ist das eine, die Anwendung der Prinzipien etwas anderes", findet Raschèr. Das Regelwerk wird seiner Ansicht nach oft zu formalistisch und eng ausgelegt. Stattdessen plädiert der Zürcher Kunstrechtsexperte für eine gesamtheitlichere Betrachtung, in der auch der Umgang mit Fluchtgut und entarteter Kunst Platz findet.

Als vorbildlich in dieser Hinsicht führt Raschèr das Bündner Kunstmuseum an: Dieses gab 1999 das Gemälde "Nähschule" von Max Liebermann den Erben bedingungslos zurück. Ein Gemälde, das die Besitzerfamilie Silberberg 1935 auf Druck der Nazis verkaufen musste.

Das Bündner Kunstmuseum betrachtete also das Verfolgungsschicksal der Familie und den Verkauf aus einer Zwangslage heraus als ausreichend für eine Rückgabe.

Würde sich das Kunstmuseum Bern im Falle einer Annahme des Gurlitt-Erbes ähnlich konsequent verhalten, wäre dies ein wichtiges Signal für andere Museen, ist Raschèr überzeugt.

Stellt sich das Kunstmuseum Bern der gewaltreichen Geschichte des Gurlitt-Erbes wäre dies eine Chance, international Massstäbe zu setzen. Dies bedinge aber, so Raschèr, dass das Museum für gewissenhafte Recherchen sorgt und auf respektvolle Gespräche und Verhandlungen mit Erben achtet.

Seit einigen Wochen wird vermutet, dass das Kunstmuseum Bern, im Falle einer Annahme, die Aufarbeitung der Erbschaft einer in Deutschland bereits eingesetzten Taskforce überlassen wird. "Den Ertrag annehmen und den Aufwand anderen überlassen - das wäre schändlich", findet Raschèr.



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