Reiche Russen versuchen auf allen Wegen, ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen. Der Kauf von Kunst könnte dabei nützlich sein.
Reiche Russen werden durch die weltweiten Sanktionen zurzeit in die Mangel genommen. Nun versuchen viele ihr Vermögen raschmöglichst von den Banken abzuziehen und in Assets zu investieren. So decken sich wohlhabende Russen etwa mit Luxusschmuck und Uhren ein, um den Wert ihrer Ersparnisse zu erhalten. Und dem Ziel, die Sanktionen zu umschiffen und ihre Rubel, die immer wertloser werden, in greifbare Wertgüter umzuwandeln.
Dabei bietet sich auch der Kunstmarkt an. Kunstwerke gelten als krisensichere Anlage, sind leicht transportierbar und können sicher aufbewahrt werden. Mit dem Ukraine-Krieg ist Kunst noch wichtiger geworden. Sanktionen können in gewissen Ländern wie den USA oder der Schweiz über den Kunstmarkt umgegangen werden.
Die Schweiz gilt als einer der wichtigsten Kunstmärkte weltweit und vereint zahlreiche wichtige Galerien und Kunsthändler. Dabei nimmt das Land europaweit einen Sonderweg ein: Der Kunstmarkt ist nicht dem Geldwäscherei-Gesetz unterstellt. In den umliegenden Ländern der europäischen Union wird der Kunstmarkt anders gehandhabt und unterliegt Gesetzen, denen etwa auch die Finanzbranche Folge leisten muss. Kunstrechtsexperte Andrea Raschèr, der sich auch mit Compliance im Kunsthandel auskennt. sagt: «Das ist ein Risiko. Nicht nur für den Schweizer Kunstmarkt, sondern für die Reputation der Schweiz.»
Der für seine akzentuierte Meinung bekannte Kunstmarkt-Experte sagt: «Der Ukraine-Krieg zeigt, dass die Gefahr steigt, Gelder über den Kunsthandel zu waschen». Seit Jahren weist Raschèr darauf hin, den Kunsthandel in der Schweiz dem Geldwäscherei-Gesetz zu unterstellen. «Wie bei den Banken zeigt die Schweiz durch die fehlende Gesetzgebung eine gewisse Doppelmoral und Intransparenz. Das ist für den Ruf und die Reputation der Schweiz gefährlich». Tangiert davon sei dann auch der legale Kunsthandel, der eine Mehrheit ausmache.
Für Raschèr liegt der Zusammenhang zwischen Wohlhabenden aus Russland, die ihr Vermögen in Sicherheit bringen wollen und dem Schweizer Kunsthandel auf der Hand: «Galerien haben in den letzten Jahren zahlreiche Ableger in St. Moritz oder anderen Schweizer Nobel-Wintersport-Destinationen eröffnet. Es ist naheliegend, welche Art von Klientel sich dort auch findet. Man kann eins und eins zusammenzählen», sagt der Kunstexperte.
Insbesondere die Schweiz sei im Gegensatz zur EU für Geldwäscherei durch Kunsthandel exponiert. «Die Schweiz hat bisher keine Handhabung». Illegales Geld sei wie Wasser, es gehe dahin, wo der geringste Widerstand besteht, sagt Raschèr. Für solche Transaktionen sei der Kunsthandel prädestiniert, «gekoppelt mit den Zollfreilagern in der Schweiz, wo jedemenge Kunst verwahrt und Vertraulichkeit garantiert ist.»
Russische Wohlhabende versuchten aber schon vor dem aktuellen Ukraine-Krieg im Kunsthandel ein Schlupfloch zu finden. Auch in den USA, in der der Kunsthandel ebenfalls nicht dem Geldwäscherei-Gesetz unterstellt ist. Solchen Käufern auf die Schliche zu kommen sei nicht einfach: «Mit Scheinfirmen, Strohmännern, Beraterinnen und Vermittlern werde der eigentliche Käufer gar nie bekannt werden, gibt Raschèr zu bedenken. Es herrsche eine grosse Intransparenz, Käufe werden über Stiftungen oder Trust getätigt, auch in der Schweiz.
Der Kunstmarkt-Experte nennt dabei auch ein konkretes Beispiel: Nach der Annexion der Krim standen mehrere russische Oligarchen auf westlichen Sanktionslisten. Darunter auch die Brüder Arkadi und Boris Rotenberg, die dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahe stehen. Sie kennen sich aus St.Petersburg, die Rotenberg Brüder hätten im Rahmen der Winterspiele in Sotchi mehrere Millionen Dollar verdient. Auch im jetzigen Konflikt war Boris Rotenberg einer der Ersten auf den westlichen Sanktionslisten.
Trotzdem gelang es den Brüdern, die seit 2014 sanktioniert sind, am New Yorker Kunstmarkt Gemälde für rund 20 Millionen Dollar zu erwerben. Darunter renommierte Werke wie «Femmes dans un paysage» von Pierre-Auguste Renoir oder «La Poitrine» von René Magritte. Dabei haben die Brüder nicht selbst gekauft, sondern über einen Vermittler. der im Auftrag von Firmen, die den Brüdern gehört haben. Im Zentrum der Kunstkäufe stand gemäss einem Bericht des Ermittlungsausschusses des US-Senats die von anderen Familienmitgliedern kontrollierte anonyme Briefkastenfirma «Highland Ventures». Um den Kauf zu verschleiern, sei laut dem Bericht, ein Teil der Kaufsumme über eine Briefkastenfirma an den Kunsthändler gelangt.
Dabei wurden laut dem Ausschuss kaum Nachforschungen über die Herkunft des Geldes betrieben. Der Kunstmarkt agiere «unter einem Schleier der Geheimhaltung und sei der grösste, gesetzlich nicht regulierte Markt in den Vereinigten Staaten» so das Fazit.
Dasselbe wie in den USA gelte auch für die Schweiz, sagt Raschèr. Es besteht zwar eine Sorgfaltspflicht, woher das Kunstwerk stamme nicht jedoch, woher das Geld stammt. «In der Schweiz besteht keine Meldepflicht . Das macht den Kunsthandel zu einem Einfallstor. Das Risiko steigt», warnt Raschèr. Der Kunsthandel sei einer der letzten Handelszweige, die nicht dem Geldwäscherei-Gesetz unterstellt ist.
Im Gegensatz zur EU, die bereits die fünfte Geldwäscherei-Richtlinie erlassen hat, untersteht der Kunsthandel, das Auktionswesen sowie das Logistik- und Lagerwesen nicht den Regeln zur Bekämpfung der Geldwäscherei oder der Terrorismusfinanzierung. «Mit dem fehlenden Finanzaspekt gewinnt der Kunsthandel in der Schweiz an Attraktivität für dubiose Transaktionen».
Von konkreten Fällen hat Raschèr bisher noch nicht gehört, das Thema Sanktionen sei gerade erst aufgekommen. «Es ist sehr aufwändig, diesen Spuren nachzugehen. Deshalb liegen noch keine aktuellen Fälle vor». Raschèr gehe es darum, dieses Risiko durch eine Gesetzesänderung zu minimieren. «Das hat man bei den Banken gesehen. Wenn etwas passiert, dann ist der Reputationsschaden gross.» Die Schweiz solle nicht länger zusehen, wie ein solches Schlupfloch offen bleibe.
Wie der Kunsthandel insgesamt vom Ukraine-Krieg betroffen ist, kann Raschèr noch nicht abschätzen: «Kunst gilt als sicherer Wert und es ist eine klare Flucht in Luxusgüter zu beobachten», sagt er. Das betreffe auch Kunst, die gut verwahrt und geschützt werden könne, «vielleicht noch besser als Häuser».