Vor genau 20 Jahren verabschiedeten 44 Staaten die Washingtoner Prinzipien zur Restitution von Naziraubgut – was bisher in der Schweiz geschehen ist.
Drehscheibe für Raubkunst
Kritisch über den Schweizer Umgang mit den Washingtoner Prinzipien äussert sich auch der Jurist und Raubkunstexperte Andrea Raschèr, der der Ansicht ist, seit 1998 hätten in der Schweiz alle Kunstinstitutionen versucht, «das ganze auszusitzen und Fragen um Raubkunst aus dem Weg zu gehen.» Es habe nur wenige Ausnahmen gegeben, zu denen immerhin die Kunstinstitutionen des Bundes und wenige Kunstmuseen gehörten. Raschèr sagt: «Plötzlich, als das Kunstmuseum Bern die Sammlung Gurlitt erbte, geriet die Schweiz wieder in den Fokus der weltweiten Aufmerksamkeit. Hinsichtlich Provenienzforschung hat das Kunstmuseum Bern ab 2015 eine Vorreiterrolle inne und ebenso darin, faire und gerechte Lösungen zu finden.» Hervorzuheben sei, so Raschèr, dass dieses Kunstmuseum Raubkunst und sogenanntes Fluchtgut gleich behandelt: «Das ist ein Novum in der Schweiz und setzt andere Kunstmuseen unter Zugzwang. Der Bund spricht auch seit einigen Jahren mehrere hunderttausend Franken jährlich für Provenienzrecherchen in Schweizer Kunstmuseen. Auch wenn es sich erst langsam bewegt, kann man hoffen, dass dies schweizweit den Anfang bildet und die Provenienzen der Kunst in allen Kunstmuseen aufgearbeitet und nachgezeichnet werden.» Beim Kunsthaus Zürich gelte es abzuwarten, wie es die Sammlung Bührle integriert und vor allem, ob in Zukunft die Unterlagen und Erkenntnisse aus den Provenienzrecherchen für die ganze Sammlung fortlaufend und umfassend zugänglich gemacht würden. Und auch Raschèr verweist auf die Rolle des Kunsthandels: «Man sollte darauf hinwirken, dass die Archive der damals involvierten Auktionshäuser und Kunsthändler endlich offengelegt werden – schliesslich waren sie die europaweite Drehscheibe für Raubkunst.»