Seit der neue Bau des Zürcher Kunsthauses am 9. Oktober 2021 eröffnet wurde, reisst die Kritik an der Sammlung des ehemaligen Waffenhändlers Emil G. Bührle nicht ab. Kern der Kontroverse war und ist die Entstehungsgeschichte der hochumstrittenen Sammlung. Der Ton wird dabei schärfer, denn der Vorwurf von verschwiegenen Informationen und Missachtung von Fluchtgut steht im Raum. Die Politik zieht nun nach und fordert eine neuere Provenienzforschung.
Stellen Sie sich vor, sie sind Jude in Berlin im Jahr 1936. Die Gestapo stürmt ihre Wohnung und verhaftet Sie und nimmt Ihre Gemälde mit: Dann ist das Raubkunst. Falls Sie hingegen zuvor erfahren, dass die Gestapo kommt und sie rechtzeitig fliehen können und ihre Gemälde mitnehmen und diese dann verkaufen, um ihre Flucht vor dem sicheren Tod zu finanzieren: Dann ist das Fluchtgut. Wenn wir ganz ehrlich sind, geht es in beiden Fällen darum, dass Ihnen Ihr Gemälde weggenommen wird, weil Sie als Jude von den Nazis verfolgt werden. Deshalb bringt es der Begriff «NS-verfolgungsbedingter Entzug» auf den Punkt. In der Schweiz wird immer noch zwischen Raubkunst und Fluchtgut unterschieden. Diese Unterscheidung ist künstlich: Den Juden wurde ihre Kunst wegen der Verfolgung durch die Nazis entzogen.
Es braucht eine unabhängige Kommission, die Empfehlungen abgibt. Es braucht ein Verfahren, wie man zu «fairen und gerechten Lösungen kommt. Damit sich eine Praxis etablieren kann, wie diese Begriffe angewendet werden können. Damit ist es auch transparent, wie eine Empfehlung zu Stande kommt. Das schafft Vertrauen.