Denn seit sich die Schlinge für Steuerflüchtige weltweit immer mehr zuzieht, finden Reichtümer statt in Banksafes und auf Schweizer Nummernkonten zusehends in Zollfreilagern einen ruhigen Platz. Andrea Raschèr, Jurist und Inhaber einer Beratungsfirma für Projekte in den Bereichen Kultur und Kunst, kennt die Entwicklung aus eigener Anschauung: «Heute verlagern sich grosse Kapitalien von den Banken zu den Freilagern. Diese sind die neuen Trutzburgen des Reichtums.»
Als «Blackbox» bezeichnet sie Raschèr mit Blick in die Vergangenheit. Er weiss, wovon er spricht: Raschèr war beim Bund Ende der 90er-Jahre mit dem Aufbau der Fachstelle für Kulturgütertransfer und der Anlaufstelle für Raubkunst betraut. Immerhin wurde 2009 das Zollgesetz verschärft: Seither müssen die Inhaber «sensibler Waren» ein Inventar führen, und die Schweizer Zollbehörden können unangemeldet Stichproben durchführen. Sensible Waren sind in einem Anhang zur Zollverordnung aufgeführt und umfassen neben Kunstwerken unter anderem Banknoten, Münzen, Juwelen, Waffen, Tiere und Pflanzen geschützter Arten. Doch das Prinzip der Selbstdeklaration birgt nach Ansicht von Raschèr immer noch genug Missbrauchspotenzial. Etwa, wenn es um Raubkunst geht: «Es ist theoretisch ein Leichtes, ein Gemälde, das etwa einer jüdischen Familie geraubt worden ist, so vage zu umschreiben, dass eine Identifikation unmöglich ist. So kann es während Jahrzehnten im Zollfreilager bleiben und gegebenenfalls auch verkauft werden, ohne je das Lager zu verlassen», sagt er.
Denise Lachat