Der Schweizer Kunstrecht-Experte Andrea Raschèr empfiehlt daher, den international gängigen Rechtsbegriff «NS-verfolgungsbedingter Vermögensentzug» zu übernehmen. Dieser Terminus umfasst sowohl den Begriff der Raubkunst wie jenen des Fluchtguts.
Raubkunst: Raubkunst oder genauer NS-Raubkunst fasst sämtliches Kunst- und Kulturgut zusammen, das während der nationalsozialistischen Diktatur zwischen 1933 und 1945 politisch und nach den «Nürnberger Gesetzen» rassisch verfolgten Personen und Organisationen entzogen wurde. Behörden, Institutionen, aber auch Privatpersonen, Händler und Sammler bemächtigten sich innerhalb des Deutschen Reichs und der besetzten und annektierten Gebiete systematisch fremder Vermögen und Artefakte. Eine diskriminierende Gesetzgebung erleichterte flächendeckende Beschlagnahmen und Enteignungen. Insbesondere die jüdische Bevölkerung litt unter den rigiden Gesetzen. Berufsverbote und die damit einhergehenden Vermögensverluste trieben viele Menschen in den finanziellen Ruin. Die Finanzierung von Flucht und Emigration, Steuern und Zwangsabgaben wie der «Judenvermögensabgabe» oder der «Reichsfluchtsteuer» zwang auch Kunstliebhaber und Sammler, ihr Eigentum unter Wert zu veräussern.
Fluchtgut: Fluchtgut betrifft Kunst, die jüdische Besitzer in der Not verkaufen mussten, um ihre Flucht vor Verfolgung und Tod zu finanzieren. Dabei kann es sich entweder um den Verkauf von Kunstwerken zur Finanzierung der Flucht oder um den Verkauf von Werken auf der Flucht handeln. Insbesondere im zweiten Fall wurde die Situation oft dazu ausgenutzt, die Preise zu drücken. Es ist wichtig, festzuhalten, dass «Fluchtgut» eine von der Bergier-Kommission geprägte historische Kategorie und kein Rechtsbegriff ist. Die Unterscheidung zwischen Raubkunst und Fluchtgut kann vor allem hilfreich bei historischen Recherchen sein. Als rechtliche Kategorie ist sie jedoch nicht haltbar. Deswegen wird meist nicht nach «fairen und gerechten Lösungen» gesucht, wenn ein Museum in der Schweiz ein Werk als Fluchtgut einstuft. Der Schweizer Kunstrecht-Experte Andrea Raschèr empfiehlt daher, den international gängigen Rechtsbegriff «NS-verfolgungsbedingter Vermögensentzug» zu übernehmen. Dieser Terminus umfasst sowohl den Begriff der Raubkunst wie jenen des Fluchtguts.
NS-verfolgungsbedingter Vermögensentzug: Das Washingtoner Abkommen von 1998 muss zusammen mit der Erklärung von Theresienstadt von 2009 gedacht werden und bildet mit dieser eine Einheit: Die Schweiz hat sich an beiden Konferenzen aktiv beteiligt und beide Dokumente unterzeichnet. Die Schweiz anerkennt mit der Unterzeichnung der Erklärung von Theresienstadt von 2009, dass NS-verfolgungsbedingt entzogene Kunstgegenstände unter die Regelungen der Washingtoner Richtlinien fallen, beispielsweise solche, die durch Diebstahl, Nötigung und Entzug sowie durch Preisgabe, Zwangsverkauf und Verkauf in einer Zwangslage veräussert wurden. Aus diesen Gründen können auch in der Schweiz Raubkunst und Fluchtgut unterschiedslos unter den Begriff der «NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstgegenstände» gefasst werden, für die im Einzelfall nach «fairen und gerechten Lösungen» zu suchen ist.